
AREDN im Notfunk: Autarke Datenverbindungen mit Mesh-Technologie
8. Juli 2025„Wenn alles ausfällt, bleibt AREDN.“ – Dieses Zitat bringt auf den Punkt, worum es geht: zuverlässige Kommunikation, wenn sie am dringendsten gebraucht wird.
Stellen Sie sich vor: Ein schwerer Sturm fegt über die Region, das Stromnetz bricht zusammen, Mobilfunk und Internet sind nicht mehr erreichbar. Kein Notruf, keine Lagebilder, keine Koordination. Was tun? Genau in solchen Situationen zeigt sich die Stärke des Amateurfunkdienstes – insbesondere mit einem innovativen Werkzeug: AREDN, das „Amateur Radio Emergency Data Network“. Ein selbstorganisiertes Funknetzwerk, aufgebaut von Funkamateuren, das dort funktioniert, wo andere Systeme längst versagen.
Inhaltsverzeichnis
Was ist AREDN?
AREDN steht für Amateur Radio Emergency Data Network und wurde entwickelt, um lizenzierte Funkamateure in die Lage zu versetzen, IP-basierte Datenverbindungen über lizenzierte Frequenzbänder aufzubauen – unabhängig von Internet und Mobilfunk.
Das Netzwerk nutzt handelsübliche WLAN-Hardware (z. B. von Ubiquiti oder MikroTik), die mit einer offenen Firmware bespielt wird. Diese Firmware erlaubt die Nutzung auf Amateurfunkfrequenzen im Bereich von 2,4 GHz, 5 GHz oder 900 MHz – je nach Region und Lizenz.
Mit AREDN können Funkamateure ein dezentral organisiertes, selbstheilendes Mesh-Netzwerk errichten, das Sprach- und Datenübertragung, Videostreaming und webbasierte Anwendungen ermöglicht – sogar unter Katastrophenbedingungen.
Wie funktioniert das Mesh-Netzwerk?
Im Gegensatz zu klassischen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen arbeitet AREDN mit dem Prinzip des Mesh-Routings: Jeder Knotenpunkt (Node) ist gleichzeitig Sender, Empfänger und Router. Fällt ein Teil des Netzes aus, sucht das Protokoll automatisch alternative Wege.
Vorteile des Mesh-Systems:
- Selbstheilend: Das Netzwerk ist dynamisch und passt sich an Veränderungen an.
- Autark: Kein Internet oder Provider nötig.
- Skalierbar: Neue Knoten werden automatisch eingebunden.
- Flexibel: Einsatz im stationären Betrieb oder mobil aus dem Einsatzfahrzeug.
AREDN nutzt das Routing-Protokoll Babel, das speziell für heterogene Netze entwickelt wurde und eine schnelle Konvergenz sowie niedrige Latenzen ermöglicht.
Welche Technik braucht man?
Ein AREDN-Knoten lässt sich schon mit wenig Aufwand realisieren. Alles, was man braucht, sind:
- Ein WLAN-Gerät mit kompatibler Hardware
- Die AREDN-Firmware (kostenfrei erhältlich)
- POE-Netzteil oder Akkubetrieb
- Eine passende Antenne
Beispielkonfiguration:
Komponente | Modellbeispiel | Preis (ca.) |
---|---|---|
Outdoor-Node | Ubiquiti NanoStation M2 | 60 € |
POE-Stromversorgung | passives POE-Injektorset | 15 € |
Antenne | Rundstrahler oder Yagi | 20–60 € |
Stromversorgung mobil | 12 V Akku | 20–50 € |
Der Einstieg ist damit schon ab rund 100–150 € möglich. Die Einrichtung erfolgt über den Browser – auch ohne tiefgreifende Netzwerkkenntnisse.
Anwendungsbeispiele in der Praxis
1. Puerto Rico nach Hurrikan „Maria“ (2017)
Nach dem totalen Zusammenbruch der Kommunikation setzten Funkamateure auf AREDN, um Krankenhäuser, Notunterkünfte und Rettungsdienste miteinander zu verbinden. Per WLAN-Backbone wurden E-Mails, Lageberichte und Gesundheitsdaten übermittelt.
2. Medizinisches Netz in Kalifornien
In San Bernardino County wurde ein dauerhaftes AREDN-Netzwerk zwischen Kliniken und Einsatzleitstellen eingerichtet. Die Vorteile: Live-Datenübertragung, redundante Infrastruktur und kein Ausfall trotz überlasteter Netze.
3. Tests in Deutschland
Auch in Deutschland wird AREDN zunehmend im Rahmen von Notfunkübungen eingesetzt – etwa zur Verknüpfung mobiler Relaisstationen, zur Videoüberwachung von Einsatzgebieten oder zur Koordination von Einheiten bei Stromausfall.
Wie passt AREDN in bestehende Notfunkkonzepte?
AREDN ersetzt nicht die bewährte Sprachkommunikation über Kurzwelle oder UKW – aber es ergänzt sie entscheidend.
Kombinierbare Anwendungen:
- VoIP-Telefonie für Leitungsersatz im Einsatz
- E-Mail-Dienste für Behörden und Helfer
- Karten- & Lagedienste im Browser (z. B. OpenStreetMap)
- Webserver mit Formularen für Schadensmeldungen
- Livebilder von Drohnen oder Überwachungskameras
Ein AREDN-Netz kann lokal (z. B. in einer Gemeinde), regional (z. B. Landkreis) oder sogar über Satellit angebunden (Starlink) überregional betrieben werden. Die Integration in Notfunkkoffer, Einsatzleitwagen oder temporäre Lagezentren ist einfach möglich.
Was ist rechtlich erlaubt?
In Deutschland ist der Betrieb von AREDN ausschließlich lizenzierten Funkamateuren erlaubt – unter Einhaltung der Amateurfunkverordnung (AFuV).
Erlaubt:
- Betrieb im Rahmen einer gültigen Lizenz (Klasse E oder A)
- Nutzung der Amateurfunkbänder (z. B. 2,4 GHz)
- Datenkommunikation für nichtkommerzielle Zwecke
- Teilnahme an Übungen und öffentlichen Vorführungen
Nicht erlaubt:
- Kommerzielle Nutzung
- Betrieb durch Unlizenzierte ohne Aufsicht
- Dauerhafte Verbindung zu BOS-Netzen ohne Genehmigung
📚 Grundlage: Bundesnetzagentur / AFuG / AFuV
Fazit: Ein Netz mit Zukunft
AREDN zeigt, wie moderne Kommunikation auch ohne Internet funktionieren kann – dezentral, resilient, und mit Technik, die vielen Funkamateuren bereits zur Verfügung steht.
Gerade für Organisationen wie Notfunk Deutschland e.V. bietet AREDN enormes Potenzial:
- Als Ergänzung zur Sprachkommunikation
- Als Übungsplattform für digitale Resilienz
- Als Werkzeug zur Selbsthilfe im Katastrophenfall
Unsere Empfehlung: Lokale AREDN-Gruppen gründen, Testnetzwerke aufbauen, Schulungen durchführen – und das Thema aktiv in die Bevölkerung tragen.
FAQ
Was bedeutet AREDN?
Amateur Radio Emergency Data Network – ein IP-Funknetz für Notfälle.
Was brauche ich für den Einstieg?
Ein kompatibles WLAN-Gerät, Stromversorgung, Antenne und die AREDN-Firmware.
Kann ich darüber telefonieren?
Ja – VoIP ist über das Mesh-Netz möglich.
Wie weit reicht die Verbindung?
Je nach Antenne, Gelände und Frequenz mehrere Kilometer – mit Richtfunk sogar mehr.
Ist das Netz vom Internet abhängig?
Nein – es funktioniert vollkommen autark.
Darf ich das auch als nicht lizenzierter Nutzer verwenden?
Nur unter Aufsicht und im Rahmen von Ausbildungsfunkverkehr (§ 3 AFuG).
Gibt es fertige Bausätze oder Anleitungen?
Ja – auf https://www.arednmesh.org sowie in Amateurfunkforen und Projekten von Notfunk Deutschland e.V.
Kann ich damit Starlink als Gateway nutzen?
Ja – eine Integration zur überregionalen Anbindung ist technisch möglich.