Notfunkfrequenzen

📡 Wenn alles stillsteht: Wie Notfunkfrequenzen Leben retten können

16. Juli 2025 Von plumpe.c

Wenn StromausfÀlle Mobilfunkmasten lahmlegen und Internetverbindungen zusammenbrechen, bleibt oft nur ein Kommunikationsweg: Funk.
Doch wer im Krisenfall zum Mikrofon greift, steht schnell vor der Frage:
Welche Notfunkfrequenzen sind in Deutschland fĂŒr Notfunk und Erstkontakt tatsĂ€chlich relevant – und welche Mythen kursieren nur in Foren?

Im Jahresbericht 2023 verzeichnete die Bundesnetzagentur ĂŒber 30 grĂ¶ĂŸere NetzausfĂ€lle durch Naturereignisse, Starkregen und technische Defekte.Âč
In solchen Situationen bewĂ€hrten sich Funkamateure als flexible KommunikationsbrĂŒcken – vorausgesetzt, sie wissen, auf welchen Frequenzen sie gehört werden.
Dieser Leitfaden fasst die deutschen und internationalen Not- und Anruffrequenzen zusammen, erlĂ€utert ihre rechtliche Grundlage und zeigt, wie sie in der Praxis sicher und regelkonform genutzt werden.



1. Grundlagen und Normen

Die Nutzung Notfunkfrequenzen ist im Amateurfunkdienst nicht willkĂŒrlich, sondern international koordiniert.
Rechtlich basiert sie auf folgenden SĂ€ulen:

  • Amateurfunkgesetz (AFuG) und Amateurfunkverordnung (AFuV)
  • BandplĂ€ne der IARU Region 1 (Europa, Afrika, Naher Osten)
  • Empfehlungen des DARC e. V. (Deutscher Amateur-Radio-Club) fĂŒr nationale Nutzung

Die International Amateur Radio Union (IARU) definiert sogenannte
„Centres of Activity“ (CoA) â€“ das sind Sammelfrequenzen, auf denen Funkamateure in Not- oder Krisenlagen vorrangig aktiv werden.
Sie dienen nicht als exklusive NotrufkanĂ€le, sondern als Anlaufpunkte fĂŒr Erstkontakte, Lagebilder und Informationsaustausch.


2. Offizielle Anlauf- und Notfunkfrequenzen

2.1 Kurzwelle (HF) – internationale CoA-Frequenzen

(Quelle: IARU Region 1 – Emergency Communications Frequencies, 2025)

BandFrequenz (kHz)BetriebsartBedeutung / Hinweise
80 m3 760LSBRegionale Notfunkverbindungen in Europa
40 m7 110LSBHohe Reichweite, stabile Tag-Nacht-BĂ€nder
20 m14 300USBWeltweit aktive Notfunkfrequenz („Maritime Mobile Net“)
17 m18 160USBAlternative fĂŒr Mittelstreckenverkehr
15 m21 360USBGute Reichweiten bei Tageslicht

Diese Frequenzen sind international abgestimmt und werden auch von NotfunkverbĂ€nden, Seefunkstationen und internationalen Netzen regelmĂ€ĂŸig ĂŒberwacht.
Im europĂ€ischen Kontext ist 14 300 kHz USB die wichtigste globale Notfunk-CoA.


2.2 VHF – 2 m-Band (144–146 MHz)

Notfunkfrequenzen (MHz)BetriebsartNutzung / BedeutungQuelle
145,500FMAnruffrequenz â€“ erster Kontaktpunkt, danach QSY auf freie QRGIARU R1 VHF Bandplan 2020
144,300USBSSB-AktivitÀtszentrum / Anruffrequenz (Europa)IARU R1 VHF Bandplan 2020
145,375DVDigital-Voice-Calling (D-Star, DMR, C4FM)IARU R1 VHF Bandplan 2020

2.3 UHF – 70 cm-Band (430–440 MHz)

Notfunkfrequenzen (MHz)BetriebsartNutzung / BedeutungQuelle
433,500FMAnruffrequenz â€“ lokale Simplex-Kontakte, erste RufmöglichkeitIARU R1 UHF Bandplan 2021
433,450DVDigital-Voice-Calling, netzĂŒbergreifendIARU R1 UHF Bandplan 2021

Diese Frequenzen werden in Deutschland aktiv genutzt, insbesondere von Relais- und Notfunkgruppen.
Sie eignen sich als lokale SammelkanÀle bei Netzausfall oder KoordinierungseinsÀtzen.


2.4 ErgĂ€nzende Dienste – See-, Luft- und BĂŒrgerfunk

  • Seefunk (GMDSS):
    • VHF Kanal 16 (156,800 MHz) â€“ Not- und Anrufkanal (Sprache)
    • VHF Kanal 70 (156,525 MHz) â€“ Digital Select Calling (DSC, keine Sprache)
    • MF/HF DSC-Paare â†’ 2 187,5 kHz (DSC) / 2 182 kHz (Sprache) usw.
      (Quelle: ITU-R M.541-9)
  • Luftfunk:
    • 121,500 MHz (VHF Guard) â€“ internationale Notfrequenz (zivil)
    • 243,000 MHz (UHF Guard) â€“ militĂ€risch
    • 406 MHz (Cospas-Sarsat) â€“ Notfunkbaken (EPIRB, ELT, PLB)
      (Quellen: ICAO / NOAA SARSAT)
  • CB-/PMR-Funk:
    • CB Kanal 9 (27,065 MHz) â€“ inoffizieller Rufkanal, keine behördliche Notruf-Funktion
    • PMR Kanal 8 (446,09375 MHz) mit CTCSS 16 – freiwillige Community-Empfehlung
      (Quelle: BNetzA-Allgemeinzuteilung 2021)

Diese Frequenzen gehören nicht zum Amateurfunkdienst, können aber in der Bevölkerung als niedrigschwellige ErgÀnzung dienen.


3. Praktische Anwendung im Einsatz

Schritt-fĂŒr-Schritt-Anleitung fĂŒr Funkamateure

  1. Empfang vorbereiten:
    FunkgerĂ€t auf 145,500 MHz FM oder 433,500 MHz FM stellen. Rauschsperre leicht öffnen, damit schwache Signale hörbar bleiben.
  2. Erstkontakt herstellen:„CQ Notfunk, CQ Notfunk – hier DO1CHP in Rheine. Wer hört mich auf dieser Frequenz?“
  3. Nach Antwort:
    • Standort und Situation klar benennen.
    • Gemeinsame Ausweichfrequenz (QSY) vereinbaren.
    • Meldungen kurz, sachlich, mit Uhrzeit und Rufzeichen.
  4. Logbuch fĂŒhren:
    • Zeit, Frequenz, Gegenstation, Inhalt und Maßnahmen.
    • Bei NetzĂŒbernahme: Weiterleitung an Einsatzleitung oder Leitstelle.
  5. Nachbereitung:
    • Funkprotokoll sichern, Technik ĂŒberprĂŒfen, Energieversorgung wieder auffĂŒllen.

Praxis-Tipp fĂŒr die Verwendung der Notfunkfrequenzen

In Krisen ist Funkdisziplin entscheidend: keine DauertrĂ€ger, keine unnötigen GesprĂ€che.
Ein klarer, ruhiger Funkverkehr vermittelt Kompetenz – und Vertrauen bei Behörden.


4. Checkliste: Funkbereit im Ernstfall

PrĂŒfpunkteSollwert / ZielKontrolle
AntenneSWR < 2,0 : 1SWR-Meter oder Analyzer
Versorgung≄ 12,0 V DCSpannungsmessung
Ausgangsleistung5–50 W (Mobilstation)Wattmeter
AudioqualitÀtklar, verzerrungsfreiGegentest / Kopfhörer
Rufzeichen / LogvollstÀndigLogbuch
UnterlagenKarte, Sprechschema, Notfallplanlaminiert, griffbereit

Funkpause: So bleibst du bei langen EinsÀtzen konzentriert


5. Sicherheits- und Rechtsvorgaben

  • AFuG § 2 / AFuV § 13:
    Funkbetrieb nur mit gĂŒltiger Zulassung (Klasse A/E/CE).
  • § 48 AFuV:
    Inhalte mĂŒssen sich auf Funkbetrieb beziehen; keine personenbezogenen Daten.
  • BOS-Funk:
    Nutzung durch Funkamateure verboten.
  • Fremde Dienste:
    Keine Aussendungen auf Luft-, See- oder Behördenfrequenzen.
  • Störungsvermeidung:
    • Kein DauertrĂ€ger auf Calling-Frequenzen
    • Relaisnutzung nur nach Freigabe
    • NetzunabhĂ€ngige Stromversorgung bevorzugt

6. Fehlerdiagnose / Troubleshooting

SymptomMögliche UrsacheLösung
Keine Antwort auf AnrufFrequenz ĂŒberlastet, niemand QRVBand oder Standort wechseln
Rauschen / kein SignalAntenne defekt oder SWR zu hochKoax prĂŒfen, SWR messen
GerĂ€t schaltet abUnterspannungAkku prĂŒfen, Ersatzakku bereitstellen
Verzerrte SpracheMikrofonpegel zu hochGain reduzieren
Digitalverbindung bricht abCodec-InkompatibilitÀtEinheitliches DV-System abstimmen
Rauschsperre öffnet nichtSchwaches Signal / Squelch zu hochRauschsperre justieren

7. Praxisbeispiel: Hochwasserlage an der Elbe

Im Sommer 2023 unterstĂŒtzten Funkamateure aus Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Brandenburg bei der Koordination von Hochwasserschutzmaßnahmen entlang der Elbe.ÂČ
Als mehrere Mobilfunkzellen ausfielen, stellte ein lokaler DARC-Ortsverband ĂŒber 2 m eine Funkverbindung zwischen der Einsatzleitung und mobilen Pegeltrupps her.

  • Erstkontakt: 145,500 MHz FM (Calling)
  • Arbeitsfrequenz: 145,525 MHz FM (Simplex)
  • Betrieb: 25 W Mobilstation, Stromversorgung ĂŒber LiFePO₄-Akkus
  • Ergebnis: stabile Sprachverbindung ĂŒber 20 km, dokumentierter Lagemeldungstransfer

Das Beispiel zeigt, wie Anruffrequenzen als Startpunkt dienen, um anschließend strukturierte Kommunikationsnetze aufzubauen – auch ohne Relais oder Internet.


8. FAQ zu den Notfunkfrequenzen

1. Gibt es im Amateurfunk einen offiziellen Notrufkanal?
Nein. Es existieren Anruf- und AktivitĂ€tsfrequenzen, keine exklusiven NotrufkanĂ€le.

2. Welche Notfunkfrequenzen zuerst abhören?
145,500 MHz FM (2 m) und 433,500 MHz FM (70 cm) – das sind die bewĂ€hrten Einstiegspunkte.

3. Ist 144,260 MHz eine Notfunkfrequenz?
Nein. Sie ist nicht im IARU- oder DARC-Bandplan festgelegt.
Diese Information konnte nicht abschließend verifiziert werden.

4. Darf ich ohne Lizenz mithören?
Ja. Empfangen ist erlaubt, Senden nicht.

5. Wie oft sollte die Technik getestet werden?
Empfohlen: monatlicher Funktionstest und jĂ€hrliche Wartung der Energieversorgung.

6. Wie hoch darf die Sendeleistung sein?
Nach AFuV § 17 richtet sie sich nach Lizenzklasse – im Notfunk genĂŒgt meist 5–50 W.

7. Was tun, wenn niemand antwortet?
Band wechseln (z. B. 14 300 kHz USB) oder Standort erhöhen.

8. Wie erkenne ich Relais mit Notstrom?
Viele DARC-OrtsverbÀnde kennzeichnen diese auf ihren Webseiten oder Listen.

9. Sind CB- oder PMR-KanĂ€le sinnvoll fĂŒr Laien?
Ja, als lokale ErgĂ€nzung â€“ aber ohne rechtlichen Notrufstatus.

10. Welche Antennen eignen sich fĂŒr portablen Notfunk?
λ/4-Mobilantennen, End-Fed-DrÀhte oder vertikale Multiband-Antennen mit SWR < 2:1.


9. Fazit & Handlungsempfehlung

Notfunk beginnt nicht erst im Krisenfall, sondern mit Vorbereitung.
Funkamateure, die ihre Anlauf- und Notfunkfrequenzen routiniert beherrschen, werden im Ernstfall schnell handlungsfĂ€hig.
Die wichtigsten Punkte:

  • 145,500 MHz FM und 433,500 MHz FM als primĂ€re Calling-Frequenzen nutzen.
  • 14 300 kHz USB auf Kurzwelle im Blick behalten.
  • Funkdisziplin, ProtokollfĂŒhrung und Energieversorgung trainieren.

Schlussfazit:
Dieser Leitfaden bietet eine fundierte Orientierung fĂŒr alle, die im Notfunk aktiv sind oder werden wollen.
Wer regelmĂ€ĂŸig ĂŒbt und seine Station pflegt, schafft die Grundlage, im Ernstfall verlĂ€sslich zu kommunizieren – auch wenn alles andere stillsteht.